Das muss ein anderer entscheiden: Gottesurteile
Wenn im frühen Mittealter die Richter bei einem schwierigen Fall nicht mehr weiter wussten, wendeten sie sich an eine höhere Instanz: Sie riefen ein Gottesurteil herbei. Das bedeutete, dass man den Angeklagten einer besonderen Gefahr aussetzte. Die Idee, die dahintersteckte: Wenn dieser Mensch tatsächlich unschuldig ist, dann wird Gott ihm zur Seite stehen und ihn retten. Es gab verschiedene, klar geregelte Prüfungen, zum Beispiel die Feuer- oder die Wasserprobe. Ein Mensch wurde dabei gefesselt in einen Fluss geworfen. Wenn er ertrank, war seine Schuld bewiesen. Oder ein Beschuldigter wurde in geweihtes Wasser geworfen. Wenn er nicht unterging, war er schuldig: Das heilige Wasser stieß ihn ab.
Bei der Feuerprobe musste man über glühende Kohlen laufen oder ein glühendes Eisen tragen. Heilte die Wunde, ohne zu eitern, galt das als Unschuldsbeweis. Zwischen Männern musste auch oft ein Zweikampf mit dem Schwert durchgeführt werden. Ein kleiner Bauer hatte gegen einen Ritter aber so gut wie keine Chance. Die Kirche war nicht immer einverstanden mit der Praxis der Gottesurteile und 1215 verbot ein Konzil – das ist eine große Versammlung von Bischöfen – den Priestern, an Gottesurteilen teilzunehmen. Das führte teilweise zur verstärkten Anwendung der Folter, mit der man dann die Wahrheit herausfinden wollte.
Stand: 22.07.2015, 12:02 Uhr