Kutsche fahren ist eng verbunden mit der Kulturgeschichte des Menschen, wobei die ersten Fuhrwerke im Vergleich sehr einfach waren. Das Fahren mit Pferden hat dabei eine längere Tradition als das Reiten. Landwirtschaft und Mobilität, aber auch Kriege waren schon im alten Ägypten ohne Pferdewagen undenkbar. Der älteste, bis heute noch erhaltene Wagen, gehörte dem ägyptischen Pharao Tutenchamun (1361 bis 1352 vor Christus). Er kann im Museum in Kairo besichtigt werden. Aus China kamen wichtige Anpassungen hinsichtlich der Anspannung wie Brustgeschirr, Kumtgeschirr, Hintergeschirr und Gabeldeichsel für einspännige Wagen. Die Geschichte der Wettbewerbe mit Pferde und Kutschen reicht in die Antike zurück. Bekannt und Stoff für zahlreiche Hollywoodfilme sind die antiken Wagenrennen in den römischen Arenen. Die Entwicklung von Wettrennen hin zu einem vielseitigen Sport ging über Jahrhunderte.
Die ersten Kutschen, so wie wir sie heute kennen, stammen aus Ungarn. Sie wurden von Wagenbauern im 15. Jahrhundert in dem westungarischen Ort Kocs gebaut. Von diesem Namen leitet sich der Begriff „Kutsche“ ab. Sie entwickelten die Pferdewagen weiter, indem sie den Wagen mit Vorderrädern ausstatteten, die kleiner waren als die Hinterräder. Das Ergebnis: der Wendekreis der Kutschen fiel deutlich enger aus. Zusätzlich hatten die Pferdewagen eine hängemattenähnliche Lederaufhängung, die wie eine Federung funktionierte und den Reisekomfort deutlich erhöhte. Durch den insgesamt niedrigeren Schwerpunkt dieser Kutschen, ließen sie sich auch schneller fahren.
Die nächsten deutlichen Weiterentwicklungen fanden in Großbritannien des 19. Jahrhunderts mit dem Bau der ersten Straßen mit einem härteren Straßenbelag statt. Gleichzeitig wurden die ersten Vollblutpferde gezüchtet. Das Ergebnis war eine einmalig perfektionierte Personen- und Postbeförderung mit einem eher sportlichen Fahrstil. In anderen Regionen Europas veränderte sich die Pferdezucht. Es wurden in erster Linie schwere Kaltblutrassen gezüchtet, die dann direkt an der Kutschstange eingesetzt wurden. Wettbewerbe gab es zu dieser Zeit kaum. Wenn, dann waren es Vergnügungsveranstaltungen, die dem Adel vorbehalten waren.
Prägend für den modernen Fuhrsport und die deutsche Fahrlehre waren die Entwicklungen des deutschen Benno von Achenbach, der Begründer des „Achenbach-Systems“. Dieses stellt die Durchlässigkeit, Versammlung, Gymnastizierung und Gehorsam des Pferdes in den Mittelpunkt. Zusammen mit der „Achenbach-Leine“, die das Führen mehrerer Pferde mit nur einer Leine in den Händen ermöglicht, gilt das Achenbach-System bis heute als pferdefreundlichste und effektivste Fahrweise.
Vor dem ersten Weltkrieg wurden Fahrturniere auf nationaler Ebene in erster Linie als Präsentationswettbewerbe ausgetragen. Die Entwicklung hin zum modernen Fuhrsport begann mit der Aufnahme des Fahrsports in die „Federation Équestre Internationale“ (FEI), der internationalen Dachorganisation des Pferdesports mit Sitz in Lausanne / Schweiz in den 1920ern. Prince Philip, der Prinzgemahl von Königin Elisabeth II und selbst großer Fahrsportler, ebnete während seiner Zeit als Präsident der FEI von 1964 bis 1986 dem Fuhrsport den Weg in die Zukunft. 1970 fanden die ersten internationalen Fahrturniere nach dem Reglement der FEI statt. Seitdem treten regelmäßig Pferdesportler*innen in verschiedene Anspannungsarten - Ein-, Zwei- und Vierspänner - auf nationalen wie internationalen Turnieren bis hin zu FEI Weltmeisterschaften an. Dabei gibt es genau wie im Reitsport unterschiedliche Klassen in den drei Teilklassen Dressur, Kegel- und Geländefahren an. Die jeweiligen Ergebnisse werden dann zu einer kombinierten Wertung zusammengefasst.
1972 fand in Münster die erste Weltmeisterschaft statt. Seit 1985 fahren auch die Zweispänner und seit 1998 die Einspänner getrennt nach Pferden und Ponys um Gold. Als Königsklasse gelten die eindrucksvollen Pferde-Vierspänner, deren Weltmeisterschaften seit 1990 fester Bestandteil der Weltreiterspiele sind.
Stand: 29.05.2020, 14:56 Uhr