Warum hat man das Gefühl, alles dreht sich, wenn man vom Karussell steigt? Warum wird einem bei einer Fahrt im Auto oder während einer Schiffsreise manchmal schlecht? Der Hauptgrund dafür ist das Gleichgewichtssystem, und ein wichtiger Teil ist dort, wo man ihn nicht vermuten würde: im Ohr - oder noch genauer im Innenohr.
Dort befinden sich nämlich die Bogengänge. Das sind kreisförmige Röhrchen, die im 90°-Winkel in die drei Richtungen im Raum ragen. Die Bogengänge sehen aus wie eine Brezel, die in den Raum hinein gebogen wurde. Sie sind mit einer Flüssigkeit gefüllt. An den Bogengängen sitzen kleine Härchen, die nach innen in die Flüssigkeit hineinragen, und die mit Nerven verbunden sind. Bewegt man sich, tut dies auch die Flüssigkeit in den Bogengängen. Dadurch werden auch die Härchen mitbewegt. Das ist genauso, wie in einem Aquarium. Bewegt ihr das Aquarium hin und her, schwappt auch das Wasser darin zur einen oder zur anderen Seite. Die Holzstäbchen, die die Härchen darstellen sollen, bewegen sich mit dem Wasser mit.
Die Härchen geben den Reiz der Bewegung an die Nervenzellen weiter, die das ihrerseits an das Gehirn melden. Das Gehirn setzt diese Informationen dann am Ende zusammen und errechnet die Bewegung, die der Körper macht.
Aber wie genau funktioniert das?
Zunächst muss man sich vorstellen, wie ein dreidimensionales Bild entsteht. Das bedeutet, dass ein Bild eine Raumtiefe hat und nicht nur 'oben' und 'unten' und 'links' uns 'rechts'. Dazu braucht man drei Dimensionen oder Ebenen, die jeweils im 90°-Winkel voneinander abgehen. Die erste ist eine gedachte Linie von oben nach unten. Die zweite Ebene ist eine Linie von links nach rechts und die dritte Ebene geht im 90° Winkel in Tiefe des Raumes hinein - also von Euch aus gesehen nach vorne und hinten weg. Das ist auch der Grund, warum die Bogengänge genauso angeordnet sind. Sie geben Orientierung im Raum, sie können aber noch mehr: sie können eine Bewegung im Raum erfassen.
Die Flüssigkeit in den Bogengängen aber hat einen Nachteil: sie ist träge. So kommt es manchmal zu Schwindelgefühl und Übelkeit. Beim Karussellfahren dreht man sich eine Weile im Kreis. Die Flüssigkeit in den Bogengängen setzt sich in Bewegung, das Gehirn registriert über die Augen und die sich drehenden Härchen, dass der ganze Körper sich dreht. Hält das Karussell an, drehen sich die Flüssigkeit in den Bogengängen noch eine Weile weiter, während die Augen Stillstand melden. Auch das ist wie beim Aquarium. Bewegt ihr es hin und her, schwappt das Wasser nach rechts und links. Hört ihr mit der Bewegung auf, braucht das Wasser eine Weile, um sich zu beruhigen und nicht mehr zu schwappen. Auf hoher See macht der Gleichgewichtssinn Probleme, weil die Augen - vor allem unter Deck - melden: 'Wir bewegen uns nicht' und das Innenohr meldet: 'Hier schwankt's ganz schön'.
Stand: 12.11.2008, 09:50 Uhr